Verabschiedung des Kreis-Haushalts: SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Rupp wirbt für 365 €-Jahresticket

Veröffentlicht am 24.01.2020 in Fraktion

Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen,

anders als in den Vorjahren ist die Wirtschaftslage derzeit weder „Fisch noch Fleisch“. Ein paar dunkle Wolken am Konjunkturhimmel des Automobil-Ländles Baden-Württemberg sind aufgezogen. Etwas enttäuscht bin ich schon, dass es der grünen Ikone Winfried Kretschmann nicht gelingt, - wie er selbst sagt - diese Wolken beiseite zu schieben. Heiligsprechung bedarf bekanntlich nachgewiesener Wunder. Eine verpasste Chance für unseren Ministerpräsidenten.

Aufgrund dieser ambivalenten Wirtschaftslage hat sich in den Haushaltsberatungen jede Fraktion frei nach Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“, die „Welt so gemacht, wie sie ihr gefällt“. Die CDU wagte einmal mehr den Blick in die Glaskugel, den hellseherischen 10-Jahres-Ausblick auf die Finanzen und die Kreisumlage. Die Freien Wähler sahen in der Glaskugel gar schon wieder Gewitterwolken aufkommen und zogen sich - ganz in der bisherigen Tradition - in ihr „Worst-Case-Schneckenhaus“ zurück.

Wir von der SPD-Fraktion sind da halt Optimisten. Und Optimisten stehen nicht im Regen. Sie duschen unter Wolken. Für viel Wasser hat es aber nicht gereicht. Denn die vorhergesagte Rezession ist abgesagt! (s. ZEW-Index und Dax).

Unsere Handlungsmaxime als SPD-Fraktion in Sachen „Finanzen“ ist bekannt: Wir sind der Ansicht, dass wir über den Haushalt, seine Rahmenbedingungen und die Kreisumlage jedes Jahr neu zu entscheiden haben. Wir sind der Ansicht, dass wir die aktuelle finanzielle Lage beim Kreis und in den Gemeinden jedes Jahr neu in den Blick zu nehmen haben. Und genau das haben wir getan und können deshalb getrost sagen: „Auch in 2020 liegt uns ein guter, ein kraftvoller Haushalt vor!“

Die SPD freut sich mit Ihnen, Herr Landrat, über die hohe Steuerkraft vieler - leider nicht aller - der uns finanzierenden Gemeinden. Sie ist hochgeschnellt von 625 Mio. im Vorjahr auf nun 676 Mio. Euro. Hochgeschnellt ist dementsprechend auch die Kreisumlage und zwar von 188 Mio. im Vorjahr auf den Rekordwert von 203 Mio. Euro.  Satte 15 Mio. Euro mehr gegenüber 2019 bei gleichbleibendem Hebesatz. Es gibt weitere Parameter, warum wir den Haushalt als „gut“ erachten: Da ist die Liquidität, die nach dem Tiefpunkt 2015 nun quasi durch die Decke geht. Erwartbar durch Asylrückzahlungen. 50 Mio. Euro mehr an Liquidität als noch vor 5 Jahren - das ist ein Wort! Und genau so rasant wie Liquidität anschwoll nahm Verschuldung ab. Von 110 Mio. Euro 2016 auf im Plan 2020 nun 78 Mio. Euro. Also, wer jetzt noch jammert!

Auch das Land Baden-Württemberg hat keinen Grund zum Jammern. In den vergangenen zehn Jahren sind die Einnahmen des Landes um sage und schreibe 68 Prozent gestiegen. Seit Jahren jagt ein Einnahmerekord in Stuttgart den nächsten. In diesem Kontext erscheint das Geschachere der grün-schwarzen Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden bis kurz vor Weihachten noch viel unwürdiger. Sie, Herr Landrat, haben ja bei der Haushaltseinbringung in Karlsdorf-Neuthard sehr laut und deutlich Ihre Stimme gegenüber dem Land erhoben. Das war konsequent und angebracht. Danke!

Zwei Dinge haben wir gelernt: Winfried Kretschmann kann nicht nur keine dunklen Wolken vertreiben, sondern er ist auch vergesslich geworden. Zum Beispiel bezüglich seiner finanziellen Zusagen bei den geduldeten Flüchtlingen. Wahrscheinich, weil er nicht mehr - wie noch 2011 bis 2016 - die SPD an seiner Regierungsseite hat, die ihn an seine Versprechen gegenüber den Kommunen erinnert hat. Nun regiert in Stuttgart das kommunale Gängelband! Das brachiale finale Angebot!

Jetzt hören wir – auch eben von Ihnen, Herr Landrat, das Land hätte wegen der Weitsicht der Landtagsfraktion der CDU noch die Kurve beim Kompromiss in Sachen Bundesteilhabegesetz (BTHG) und Asyl bekommen. Dabei brüstete sich just die CDU-Landtagsfraktion noch am                            4. Dezember 2019 – also eine Woche vor dem überfälligen Kompromiss – in einer an die Rathäuser ausgesandten Mail: „Dieser Haushalt trägt die Handschrift der CDU“. Ich wiederhole: „Dieser Haushalt trägt die Handschrift der CDU“. Hört! Hört!

Es ist eine Schande, dass die Landesregierung erst auf den letzten Drücker reagiert hat. Und das auch nur einzig und allein, weil Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte dauerhaft und lautstark insistiert haben. Das ist die Wahrheit!

Wir lassen uns nicht mit 100 Förderprogrammen abspeisen, die eh mit kommunalem Geld gespeist sind. Wir brauchen eine verlässliche Gegenfinanzierung aller Aufgaben, die uns Bund und Land übertragen. Wie hat Franz Müntefering gesagt? „Kommunen sind nicht das Kellergeschoss der Demokratie, sie sind ihr Fundament.“ Dies als Mahnung Richtung Stuttgart und Berlin. Und noch eine kleine Spitze obendrauf: Aus der schwarzen Null, aus der Schuldenbremse ist inzwischen eine Investitionsbremse geworden. Vor zehn Jahren war die Idee richtig, heute ist sie schädlich. Heute fehlt dem Staat nun das Geld z.B. für die Sanierung der Schulen oder die Vollendung der Energiewende. Früher haben wir 5% des Brutto-Inlandprodukts (BIP) für unsere Infrastruktur verwendet; heute - auch wegen der schwarzen Null - nur noch 2%. Wir können den Interessen künftiger Generationen auch schaden, indem wir nicht zu viel, sondern zu wenig Geld ausgeben.

In diesem Sinne sagen wir für unseren Landkreis: Wenn wir schon so viel Geld von unseren 32 Städten und Gemeinden über die Kreisumlage bekommen haben, dann gibt es für unsere Fraktion zwei Möglichkeiten:

  1. Wir geben Geld an unsere Städte und Gemeinden und damit auch an unsere Bürgerinnen und Bürger zurück.
  2. Oder wir zeigen, dass wir ein handelnder, ein aktiver Landkreis mit guten Lösungskompetenzen für unsere 450.000 Bürgerinnen und Bürger sind.

Wir präferieren in diesem Jahr letztere Option – auch und gerade wegen unserer Initiativen im ÖPNV. Obwohl eine Senkung der Kreisumlage um einen Punkt nicht unmöglich gewesen wäre. Ich verweise da nur auf die hohen Überschüsse z.B. aus 2018 mit sage und schreibe 21,8 Mio. Euro. Oder auf das nun nach dem späten Kompromiss deutlich reduzierte Haushaltsrisiko 2020.

Aber weil wir uns für Option 2 entschieden haben, erwartet meine Fraktion, dass wir ein handelnder Landkreis sind. Ein Landkreis, der Akzente setzt. Ein Landkreis, der auch eingreift, wenn der Markt versagt. Wir haben in diesem Kreistag erlebt, dass der Markt eben nicht alles regelt, man dem Markt nicht alle Bereiche der Daseinsvorsorge überlassen kann.

Ich nenne zwei Beispiele:

  1. Wenn wir unsere Kliniken dem Markt anvertraut und nicht in kommunaler Hand behalten hätten, dann wäre der Standort Bretten wegradiert worden. Und vielleicht auch Bruchsal. Zumindest hätte man sich dort die Rosinen herausgepickt!  Heute sind wir stolz auf die neue Rechbergklinik und den C+G-Bau in Bruchsal. Weitere 60 Mio. Euro sind in der „Krankenhaus-Pipeline“. Nicht zum Selbstzweck – sondern für die Menschen unserer Region. 
  2. Das zweite Beispiel: Wir haben hier im Kreistag die Breitbandgesellschaft des Landkreises Karlsruhe gegründet. Warum? Weil der Markt und die freie Wirtschaft keinen flächendeckenden Ausbau von Breitband-Internet oder Mobilfunk ermöglichen wollen – auch wenn sie anderes sagen!

Das waren zwei Beispiele eines für seine Bürgerinnen und Bürger entschlossen handelnden Landkreis. Zwei Beispiele für die weitestgehender Konsens hier im Kreistag herrschte.

Und gerade deshalb frage ich heute namens meiner Fraktion noch einmal: Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen, glauben Sie wirklich, die Wohnungsnot und die explodierenden Mietpreise werden durch den Markt geregelt? Wir als SPD-Fraktion glauben dies nicht. Menschen, mit nicht allzu üppigem Lohn, auf der Jagd nach einer raren Wohnung in unseren 32 Städten und Gemeinden glauben dies nicht! Menschen, die wegen fehlendem bezahlbaren Wohnraum in der Altersarmut landen – siehe die Badischen Neuesten Nachrichten von heute - glauben dies nicht! Hier liegt "Marktversagen" in klassischer Weise vor. Logisch beim Marktmechanismus der Gewinnmaximierung. Wir sind nach wie vor der der Meinung, dass wir als Landkreis der Wohnungsnot nicht zuschauen können wie der Frosch dem Wetter. Wir sind nach wie vor der Meinung, eine Kreisbaugenossenschaft oder ähnliches wäre ein adäquates Instrument! 

Warum nur meiden Sie das Thema „Bezahlbares Wohnen“ wie der Teufel das Weihwasser, Herr Landrat? Beleg für diese zugegeben harte Aussage ist für unsere Fraktion auch, dass Sie unseren Prüfauftrag vom 24. Januar 2019, die Verwaltung möge aufarbeiten, wie ein Modell des Erwerbs von Belegungsrechten von sozialgebundenem Wohnraum in anderen Kommunen funktioniert und eruieren, wie viele Belegungsrechte für Mietwohnungen überhaupt zu kaufen wären, bis heute nicht angepackt haben. Hier erwarten wir eine entsprechende - wenn auch verspätete Reaktion der Verwaltung! 3 Mio. ehemalige Sozialwohnungen sind nämlich inzwischen in Deutschland nicht mehr sozialgebunden. 

Wie man ein „running system“, wie man schnell und ohne Not einen funktionierenden SPNV/ÖPNV auf dem Altar der ausufernden Liberalisierung opfern kann, das hat Baden-Württembergs Oberster Fahrdienstleiter Winfried Hermann nachdrücklich bewiesen. Mit seiner Weichenstellung ist der Regionalverkehr in Baden-Württemberg vollends aus den Schienen gesprungen. Schon bei der Ausschreibung begann die Malaise. Vollmundig ein neues Zeitalter des Schienenverkehrs versprochen, wurden dann zu wenige, zu kleine Züge geordert, vieles, viel zu vieles übersehen. Als Bürgermeister einer an einer Abellio-Strecke liegenden Gemeinde sage ich heute aus voller Überzeugung: Zum Glück haben wir hier im Kreistag wenigstens einen Teil des „Karlsruher Modells“ gerettet.

Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch „Neue Mobilität“ braucht einen handelnden Landkreis. Neue Mobilität und ein klimaneutraler Landkreis entstehen nicht durch Verbote, sondern durch Angebote und Anreize. Ein klimaneutraler Landkreis und neue Mobilität entstehen nicht durch Sonntagsreden, sondern durch Taten. Um die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen, müssen wir bis 2030 die Fahrgastzahlen im ÖPNV verdoppeln. Auch die Grün-geführte Landesregierung weiß das. Aber das Wissen hindert sie nicht am Nichts- bis Wenig-Tun! Wenn man mehr Menschen in Bus und Bahn bringen will, dann muss man auch mehr Geld in die Hand nehmen. Geld für die Qualität, Geld für den Ausbau unseres ÖPNV-Systems, Geld für deutlich attraktivere und günstigere Angebote. Ich glaube, bis dahin sind wir noch ziemlich beste Freunde hier im Kreistag.

Die Straßen vor allem in den Ballungsräumen sind verstopft. Die Lebensqualität leidet, wenn man für eine Strecke, die man eigentlich in einer halben Stunde bewältigen könnte,                           eine oder eineinhalb Stunden benötigt. Entlastung erreichen wir nur, wenn mehr Menschen ihr Auto stehen lassen oder ganz darauf verzichten.

Wir wollen deshalb erstens den ÖPNV ausbauen.  Wir wollen zweitens, dass er verlässlich ist.

Und wir wollen drittens, dass er finanziell attraktiv ausgestaltet ist. Deshalb haben wir die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets für alle Nutzer des KVV beantragt. Denn 1.248 Euro für eine Jahreskarte von Gondelsheim nach Karlsruhe sind nicht günstig. Denn 1.800 Euro für eine Jahreskarte für das gesamte Gebiet der KVV sind nicht günstig. 365 Euro sind günstig.  Damit würden wir eine Entlastung auf den Straßen, ein sprichwörtlich besseres Klima, weniger Verlust von Lebenszeit im Verkehr, günstigere Abos auch für Schüler und Senioren und eine höhere Mobilität für sozial benachteiligte Menschen, sprich Sozialticket erreichen. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit so miteinander verschmelzen zu lassen, das ist „sexy“.  Wir würden uns freuen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie unseren Antrag im Interesse unserer Einwohner in der kommenden Woche „scheuklappen-frei“ behandeln würden.

Warum nur sind wir so naiv und lassen das Land beim Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) kräftig mitfinanzieren und beim Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) dagegen „blutet“ nur den Fahrgast durch jährliche Tariferhöhungen?

Die Bahnübergangsbeseitigung in Gondelsheim sehen wir positiv. Für eine mögliche Umfahrung Bad Schönborns sehen wir den Kreis als Moderator zwischen den betroffenen Kommunen gefordert. Über deren Finanzierung reden wir dann im nächsten Schritt.

Schließen möchte ich mit einem Thema, wo wir nach Ansicht unserer Fraktion aktiv, wo wir wieder handelnder Akteur sind – nämlich bei der Bildung! Die OECD bescheinigt Deutschland ein nach wie vor ungerechtes Bildungssystem, bei dem der Geldbeutet der Eltern noch immer über den sozialen Aufstieg entscheidet. Unsere Berufliche Schulen und beruflichen Gymnasien sind da ein ganz wichtiges Korrektiv und genießen bei unser Fraktion wie im gesamten Kreistag höchste Priorität. Millionen-Investitionen in den Schulstandort in Ettlingen, aber auch in Bruchsal und Bretten belegen dies. Der Wandel in der Wirtschaft macht deutlich, dass wir es uns gar nicht leisten können, nicht jedem Kind die Chance auf bestmögliche Bildung zu bieten.

Da der Haushalt 2020 eine Bestandsaufnahme der wichtigsten derzeitigen Entwicklungen und Handlungsfelder ist, habe ich den perspektivisch angestrebten Neubau des Landratsamtes heute bewusst ausgeklammert. 

Bei all den von unserer Fraktion eben und auch in der Vergangenheit aufgezeigten Herausforderungen darf der Landkreis nicht wie ein teilnahmsloser Zuschauer auftreten. Gefragt ist mehr denn je eine tatkräftige öffentliche Hand. Eine öffentliche Hand, die dafür Sorge trägt, dass Missstände beseitigt werden und der nötige Wandel sozial verträglich und im Sinne der Allgemeinheit gestaltet wird. Vieles davon leisten unser Landkreis und dieser Haushalt vorbildlich.

Wir werden aber weiterhin dort, wo wir mehr „actio“, mehr Handlung erwarten, den Finger in die Wunde legen. Ich zitiere Goethe: „Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden.                          Es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun“! Mit diesem Appell stimmen wir dem Haushalt sowie Tagesordnungspunkten 3 – 4 sowie 8 – 11 zu. Ihnen, Herr Landrat sowie der gesamten Verwaltung danken wir für die gute Zusammenarbeit.

 
 

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